Digitales Geld schwächt den Westen
Die westlichen Zentralbanken befinden sich im Abwehrkampf gegen die Kryptowährungen und den digitalen Yuan. Diese untergraben die bisherige Vormachtstellung des politischen Westens im Finanzsystem. Wieso ist der Westen so sehr in die Defensive geraten, dass er sich nun von anderen Kräften das Gesetz des Handelns aufzwingen lassen muss?
Wer zu spät kommt
Noch im Januar 2021 war Augustin Carstens, der Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – also der Notenbank der Notenbanken – der Meinung, dass der Nutzen des digitalen Euros für Verbraucher „als begrenzt“(1) anzusehen sei. Eine sinnvolle Anwendung als Zahlungsmittel konnte er „nur für Banken und Unternehmen“(2) erkennen.
Tatsache war damals wie heute, dass das Bankennetz in Europa gut ausgebaut ist für die Versorgung mit Bargeld, und Geldautomaten ermöglichen Abhebungen rund um die Uhr. So stellten Mitte des Jahres 2020 selbst Geschäftsbanken noch die Frage, „warum der einfache Verbraucher in Zeiten von Echtzeit-Überweisungen und kontaktlosen Kartenzahlungen einen digitalen Euro benötigt“(3). Zudem nutzen immer mehr Menschen das online-banking, was Bargeld und den Gang zur Bank fast ganz überflüssig erscheinen ließ.
Damit klangen die Argumente der Befürworter des digitalen Euro, der schnellere und kostengünstigere Transaktionen ermögliche, genau so fadenscheinig wie das der höheren Sicherheit gegen Bankenpleiten. Denn durch die Einlagensicherung der Banken waren Guthaben bis zu einem Wert von 100.000 Euro ohnehin gegen Ausfall geschützt. Bis dahin hatte auch die EZB selbst die Einführung eines digitalen Euro nicht besonders leidenschaftlich betrieben. Noch bis Mitte des Jahres 2020 musste die BIZ „schon fast im Monatsrhytmus die Notenbanken dazu antreiben …, sich den digitalen Innovationen und Herausforderungen zu stellen“(4).
Die Grundfesten westlicher Geldpolitik waren – unbemerkt – erschüttert worden durch die Entwicklung der Blockchain-Technologie. Auf ihrer Grundlage entstanden neue Finanzinstrumente wie die Kryptowährungen, deren bekannteste der Bitcoin(5) ist. Dieser und vor allem die Pläne von Mark Zuckerberg, mit dem Libra eine private Digitalwährung einzuführen, setzten die Notenbanken unter Druck. Besonders der Libra hätte in seiner ursprünglichen Fassung keiner Regulierung mehr durch nationale Notenbanken unterlegen. Durch das soziale Netzwerk facebook mit seinen Hunderten von Millionen Nutzern hätte diese private Währung grenzüberschreitend Weltgeltung erlangen können.
So setzte sich in der EU-Kommission dann doch die Ansicht durch, dass „der digitale Euro unabdingbar[sei]. Ohne einen digitalen Euro würden sich die Digitalwährungen anderer Staaten oder private Kryptowährungen in Europa ausbreiten und die Rolle des Euro zurückdrängen“(6). Es geht also um nichts Geringeres als um die Abwehr von Gefahren für „die Selbstbehauptung der amtlichen Geldpolitik“(7).
Die Vormachtstellung der westlichen Finanzmacht, besonders die des Dollars, der die Märkte seit Jahrzehnten schon bestimmt, wie auch des Euro als zweitstärkster Reservewährung drohte zu wanken. Wie wichtig den westlichen Akteuren die Einführung der europäischen Digitalwährung ist, zeigt, dass selbst die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, bei der anstehenden Entscheidung über dessen Einführung im Oktober 2023 darauf drängte, „die Eurozone dürfe mit ihrem Vorhaben nicht hinter andere Staaten zurückfallen“(8). Damit waren unausgesprochen Russland und besonders China gemeint.
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